Sonnencreme mit Nebenwirkungen?

Haben chem. Filter in Sonnencreme möglicherweise Nebenwirkungen?

Will man sich längere Zeit in der Sonne aufhalten, sollte man Schutzmaßnahmen für die Haut anwenden. 

MEIDEN – KLEIDEN –CREMEN sind die bekannten Maßnahmen zum Schutz  vor UV-Strahlung.

Die am häufigsten angewendete Schutzmaßnahme ist der Einsatz von Sonnencreme (oder -Lotion, -Gel, – Spray). Die Schutzwirkung der Sonnencreme beruht auf dem Zusatz von chemischen und/oder physikalischen UV-Filtern. Diese absorbieren bzw. reflektieren UV-Strahlung und machen sie dadurch unschädlich.

Da wir Sonnencreme – wie empfohlen großflächig, regelmäßig und über viele Jahre hinweg – auf unsere Haut auftragen, ist die Frage nach Nebenwirkungen durchaus berechtigt.

Nebenwirkungen, die über lokale allergische Reaktionen hinausgehen, setzen ein Eindringen in den Körper voraus.

Von den physikalischen Filtern (Partikel von Titandioxid oder Zinkoxid) wird allgemein angenommen, dass sie nicht in den Körper eindringen können. Sie gelten deshalb als gesundheitlich unbedenklich [1].  Liegen diese im Nanoformat vor,  wird die Frage der Aufnahme in den Körper noch kontrovers diskutiert.

Chemische Filtersubstanzen müssen in die Haut eindringen um UV-Strahlung effektiv absorbieren zu können. Bisher nahm man an, dass sie auch dort bleiben.  Aufgrund der gesteigerten Anwendung von Sonnencreme und dem vermehrten Nachweis chemischer Substanzen aus Kosmetika im Blut, ist es durchaus an der Zeit,  die Sicherheit von chem. UV-Filtern abzuklären. Beispielsweise wurde Oxybenzon, ein häufig eingesetzter chem. Filter, im Urin oder der Muttermilch nachgewiesen.

Inhalt

FDA- Richtlinie

Die FDA (U. S Food and Drug Administration), die amerikanische Behörde zur Überwachung von Arznei- und Lebensmitteln hat 2016 eine Richtlinie erlassen, wie sie sich die Sicherheitsüberprüfung von freiverkäuflichen Sonnenschutzmitteln vorstellt [2]. Zunächst soll in einer Anwendungsstudie, gemäß der empfohlenen maximalen Anwendung, untersucht werden, ob Sonnenschutzfilter in den Körper eindringen und im Blut nachweisbar sind. Überschreiten sie im Blut eine Konzentration von 0,5 ng/ml müssen zur Abklärung einer möglichen Gesundheitsgefährdung weitere toxikologische Untersuchungen erfolgen.

Erklärung: Woher kommt der Grenzwert von 0,5 ng/ml?

Die FDA hat  festgelegt, dass chemische Filtersubstanzen, die den  Grenzwert von 0,5 ng/ml  im Blut überschreiten,  toxikologisch untersucht werden müssen. Dieser Wert ist ein sogenannter TTC-Wert = Threshold of Toxicological Concern.  TTC-Werte sind angenommene Werte für Stoffe mit unbekannter Toxizität, aber mit bekannter Struktur. Da wir immer potentere Messverfahren besitzen, können  wir heutzutage immer mehr chemische Verbindungen in Lebensmitteln, Wasser, Tierfutter usw. nachweisen. Ob und ab welcher Konzentration diese Stoffe schädlich sind ist häufig unklar. Der TTC-Wert ist eine Abschätzung der Schädlichkeit anhand von verwandten chem. Strukturen mit bekannter Toxizität. Diese TTC-Werte erleichtert die Entscheidung, welche chem. Substanzen vorrangig auf Schädlichkeit untersucht werden sollen [3].

FDA-Studie

Die FDA hat sich in den 70ziger Jahren erstmals mit der Regulierung von Sonnenschutzmitteln befasst. Seither haben sich die Komposition der Sonnenschutzmittel, die Häufigkeit der Anwendung in der Bevölkerung und die Empfehlung der aufzutragenden Menge sehr verändert. Deshalb hat die FDA  2018 zunächst eine kleine Studie in Auftrag gegeben, die den Verbleib von chem.  UV-Filtern untersuchen soll.

Die Frage lautete:

Sind chemische UV-Filter im Blut nachweisbar, wenn Sonnenschutzmittel wie empfohlen (maximale Anwendung; MUsT = maximal usage trial) angewendet werden.

Studiendesign

Die Studie untersuchte, ob 4 chemische UV-Filter (Oxybenzon, Avobenzon, Octocrylen und Ecamsul) nach dem Auftragen auf die Haut im Blut nachweisbar sind [4].

Untersucht wurden 24 gesunde Teilnehmer, mit einem durchschnittlichen Alter von 35 Jahren, ca. die Hälfte Frauen und ca. die Hälfte Afroamerikaner. Untersucht wurden 4 käuflich erhältliche Sonnenschutzmittel: 1 x, Creme, 1 x Lotion, 2 x Spray. Die Sonnenschutzmittel enthielten immer 3 der oben erwähnten chemischen UV-Filter und diese unterschiedlichen Konzentrationen.

Das Sonnenschutzmittel wurde bei jeweils 6 Probanden 4 x täglich,  4 Tage lang, auf 75 % der Hautoberfläche, in einer Menge von 2 mg/qcm aufgetragen. Das entspricht der empfohlenen, maximalen Anwendung.

Von jedem Teilnehmer wurden in 7T agen 30 Blutproben entnommen;  in den ersten 4 Tagen während der Applikation mehrmals täglich.

Die Konzentration der chemischen UV-Filter im Blut wurde mittels Flüssigkeitschromatografie und anschließender Tandem-Massenspektroskopie bestimmt.

Ergebnisse

  • Alle 4 chem. UV-Filter ließen sich im Blut nachweisen. Für Avobenzon, Octocrylen und Ecamsul sind dies die ersten Nachweise im Blut.
  • Die Grenze von 0,5 ng/ml wurde von allen, bereits am ersten Tag der Anwendung, überschritten.
  • Auch am Tag 5-7, als kein Sonnenschutz mehr aufgetragen wurde, waren  die chem. Filter im Blut immer noch nachweisbar.
  • Oxybenzon wies die höchsten Konzentrationen im Blut auf. Es wurde bereits in früheren Untersuchungen im Blut, Urin und in der Muttermilch nachgewiesen. Eine mögliche Wechselwirkung mit dem Hormonhaushalt des Körpers wird diskutiert. Die Verwendung von oxybenzonhaltige Sonnencreme wird ab 2021 in Hawaii verboten, da es in Verdacht steht, Korallen zu schädigen.
  • Die Daten zu Encamsul  sind nur beschränkt aussagefähig. Zum einen war es nur in einem Sonnenschutzprodukt vorhanden. Zum anderen schwankten die Blutwerte um die Nachweisgrenze des Tests.

Fazit

  • Obwohl die untersuchten chem. Filter den von der FDA gesetzten TTC-Wert überschritten haben, sagt dies erstmal nichts über ihre gesundheitsgefährdende Wirkung aus! Zur Zeit kann man keine Aussage machen, ob und ab welcher Konzentration gesundheitsschädliche Nebenwirkungen zu erwarten sind.
  • Gemäß den FDA Regeln müssen nun weitere Tests erfolgen, die möglichst folgende Punkte klären: Krebsrisiko? Schädigung des ungeborenen Lebens? Andere unerwünschte Effekte ?
  • Die FDA fordert von den Herstellern von Sonnenschutzmitteln die Vorlage von Daten zur Sicherheits- und Wirksamkeitsbewertung von weitern 12 chem. UV-Filtern.
  • Bis man weitere Erkenntnisse hat, empfiehlt die FDA die weitere Verwendung von Sonnencreme in Kombination mit anderen Schutzmaßnahmen wie Kleidung oder Sonnenvermeidung [5].
  • Auch Frau Prof. Dorothée Nashan vom wissenschaftlichen Beirat Hautkrebs-Netzwerks Deutschland  e. V. rät: „Mit Blick auf notwendige Untersuchungen und auch Tierversuche vor der Zulassung auch von Sonnenschutzpräparaten wie auch basierend auf der Prüfung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse die Kombination zugelassener UV-Filter bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gesundheitlich unbedenklich. Der Empfehlung zur Anwendung von Sonnenschutzpräparaten schließen sich auch das Institut für Strahlenschutz und weitere Partner in einem UV-Bündnis an. Ein Sonnenschutz ist sinnvoll und definitiv einer vor Sonne ungeschützten Haut vorzuziehen.“[6] Zitat.

Literatur:

[1]          „download.pdf“.  [Online]. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/media/124654/download. [Zugegriffen: 16-Juli-2019]

[2]          „Nonprescription Sunscreen Drug Products – Safety and Effectiveness Data | FDA“.  [Online]. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/nonprescription-sunscreen-drug-products-safety-and-effectiveness-data. [Zugegriffen: 14-Juli-2019]

[3]          „Threshold of toxicological concern“, European Food Safety Authority.  [Online]. Verfügbar unter: https://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/threshold-toxicological-concern. [Zugegriffen: 16-Juli-2019]

[4]          M. K. Matta u. a., „Effect of Sunscreen Application Under Maximal Use Conditions on Plasma Concentration of Sunscreen Active Ingredients: A Randomized Clinical Trial“, JAMA, Mai 2019 [Online]. Verfügbar unter: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2733085. [Zugegriffen: 07-Mai-2019]

[5]          O. of the Commissioner, „Shedding New Light on Sunscreen Absorption“, FDA, Juli 2019 [Online]. Verfügbar unter: http://www.fda.gov/news-events/fda-voices-perspectives-fda-leadership-and-experts/shedding-new-light-sunscreen-absorption. [Zugegriffen: 14-Juli-2019]

[6]          „Sonnenschutz mit Sonnencremes – JA oder NEIN? | HAUTKREBS-NETZWERK DEUTSCHLAND e.V.“  [Online]. Verfügbar unter: https://hautkrebs-netzwerk.de/sonnenschutz-mit-sonnencremes-ja-oder-nein/. [Zugegriffen: 14-Juli-2019]

Dr. Andrea Zgaga-Griesz
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Hallo, ich bin promovierte Diplom-Biologin mit langjähriger Berufserfahrung im Bereich der Lebenswissenschaften, Sachbuchautorin und Bloggerin.

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