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Titandioxid – ein Mineral mit vielseitigen Eigenschaften
Titandioxid in Sonnencreme und anderswo
Wir kennen Titandioxid (TiO2) als mineralischen UV-Schutzfilter in unserer Sonnencreme.
Darüber hinaus ist es fast allgegenwärtig. Es findet seine Anwendung als Weißpigment in Farben, als Zusatzstoff in Zahnpasta, Kosmetika, Medikamenten, Papier, Textilien und Kunststoffen. Unter der Kennzeichnung E171 wird es als Lebensmittelzusatzstoff z. B. in strahlend weißem Zuckerguss verwendet.
Weltweit werden ca. 5 Mio Tonnen TiO2 produziert. Es ist preiswert, haltbar und ungiftig.
TiO2 – ein Mineral mit vielfältig nutzbaren optischen Eigenschaften
Bei seinem Einsatz als UV-Filter interessieren uns besonders die optischen Eigenschaften von TiO2. Die optischen Kennzahlen wie Lichtbrechung, Reflexion, Streuung und Absorption von sind abhängig von der Partikelgröße und der Kristallstruktur. Methoden zur Dispersion, chemische Modifikationen oder Verunreinigungen beeinflussen die optischen Eigenschaften ebenfalls.
Durch Reflexion und Streuung wird die Strahlung zurückgeworfen. Bei der Anwendung von Sonnencreme gelangt dieser Anteil der Strahlung also nicht in die Haut. Das TiO2 bleibt durch diese Vorgänge chemisch unverändert.
Der Brechungsindex bestimmt das Verhältnis von abgewehrter (Streuung, Reflexion) zu durchfallenden Strahlung (Transmission). TiO2 hat unter den Pigmenten den höchsten Brechungsindex. D. h. es streut das Licht besonders stark, der Anteil der durchfallenden Strahlung, der auf die Haut trifft ist gering.
Absorption dagegen „verschluckt“ die eintreffende Strahlung und führt zu einer chemischen Veränderung im TiO2 Partikel. Daraus resultieren die photokatalyischen Eigenschaften des TiO2.
TiO2 „behandelt“ elektromagnetische Schwingungen unterschiedlich, je nach Wellenlänge. Sichtbares Licht und Infrarotstrahlen werden von TiO2 gestreut bzw. reflektiert, UV-Strahlen werden absorbiert. [1]
TiO2 als Mikropartikel
Als Weißpigment kommt TiO2 meist mit einer Partikelgröße von 200 bis 300 Mikrometer in den Handel. Bei dieser Partikelgröße kommt der Effekt der Streuung besonders zum Tragen: Dadurch entsteht der Eindruck: strahlend weiß und undurchsichtig. Auch Sonnencreme mit TiO2 in Mikrogröße lässt uns weiß aussehen. Darüber hinaus lassen sich die Mikropartikel auch schwer verteilen. Deshalb suchte man für die Anwendung als UV-Schutz in der Sonnencreme nach einer weniger weißen Alternative.
TiO2 als Nanopartikel (1 – 100 nm)
Bei nanoskaligen TiO2 ist der Effekt der Lichtstreuung stark verringert. Deshalb tritt der Weißeffekt bei Sonnencreme mit Nano – TiO2 nicht mehr auf. Die UV-Absorption ist allerdings stärker als bei Mikrogröße. [1] Damit ist auch die UV-Schutzwirkung verstärkt. Somit schien die ideale Lösung als UV-Schutzmittel gefunden. Dann tauchten aber zwei Fragen auf, die bis heute noch nicht abgeschlossen beantwortet sind.
Zwei unbeantwortet Fragen bei der Anwendung von TiO2 als UV-Filter
1) Was bedeutet die photokatalytische Aktivität des TiO2
TiO2 funktioniert wie ein Halbleiter. Durch die Absorption der energiereichen UV-Strahlung werden Elektronen des TiO2 angeregt mit anderen Molekülen in der Nähe zu reagieren. Auf diese Weise können z. B. Schadstoffe chemisch zerlegt werden. Für diesen Effekt gibt es vielfältige technische Anwendungen wie z. B. den Abbau von organischen Schadstoffen in der Luft oder in Abwässern, selbstreinigende Oberflächen von Hausfassaden oder Gartenmöbeln.
Die photokatalytische Aktivität des TiO2 ist beeinflussbar. Sie ist beispielsweise abhängig von der Partikelgröße. Im mikroskaligen Bereich ist die Aktivität gering, im nanoskaligen dagegen deutlich stärker. Auch die Art der Kristallstruktur beeinflusst die photokatalytische Aktivität. Die Anatas Struktur zeigt eine deutlichere Aktivität als Rutil Struktur.
Mit Hilfe der photokatalytischen Aktivität kann man auch Mikroorganismen wie Bakterien, Algen oder Pilze abtöten. Damit kommt man dann ziemlich schnell zu der Frage: Gibt es auch eine photokatalytische Aktivität auf unsere Haut, wenn wir TiO2 als Sonnenschutz auftragen? Schadet uns das?
Photokatalytische Aktivitäten auf unserer Haut
Studien zeigten, dass UV-Bestrahlung von Nano-TiO2 in Zellkulturen die Entstehung von reaktionsfreudigen Sauerstoffvarianten (ROS) begünstigt, auch wenn dies nicht immer zu messbaren Schäden führte [2]. Prinzipiell können ROS eine Vielzahl von zellulären Strukturen schädigen. Allerdings besitzen die Zellen auch eingebaute Schutzmechanismen. Außerdem muss man bedenken, dass eine Zellkultur nur in Teilen die Gegebenheiten einer intakten Haut widerspiegelt. Tragen wir Sonnencreme auf, findet diese Reaktion in der äußersten Barriereschicht der Haut statt. Diese besteht aus bereits abgestorbenen Zellen, die bald durch mechanischen Abrieb verloren gehen.
Die photokatalytische Aktivität der Nanopartikel kann vom Hersteller reduziert werden: a) Durch die Auswahl der weniger aktiven Kristallstruktur Rutil [3], oder b) durch eine Ummantelung der Partikel. Ob diese Maßnahmen in der von uns gekauften Sonnencreme zur Anwendung gekommen sind, können wir Verbraucher leider nicht auf der Verpackung nachlesen.
2) Können TiO2 Partikel durch die Haut in den Körper eindringen und richten sie da Schaden an?
Hier zitiere ich aus der Literaturübersicht “Literature review on the safety of titanium dioxide and zinc oxide nanoparticles in sunscreens”vom Australian government, Department of Health, Therapeutic Goods Administration: „Sowohl in vitro Studien mit tierischen oder menschlichen Zellen oder in vivo Studien mit Menschen zeigten, dass TiO2 nur in minimalen Mengen in tiefere Hautschichten vordringt. Die Eindringtiefe beschränkt sich im Wesentlichen auf die Hornzellschicht. Dies lässt vermuten, dass die systemische Aufnahme sehr gering ist. Damit ist auch die Wahrscheinlichkeit, das TiO2 Zytotoxizität und pathologische Effekte in inneren Organen und Geweben hervorruft, sehr niedrig.“
Auch die wissenschaftliche Kommission der EU, European Commission’s Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks’ (SCENIHR’s) sagt Ähnliches: Zur Zeit geht man nicht davon aus, dass TiO2 durch die gesunde Haut eindringen kann[4].
- [stextbox id=’alert‘ caption=’Was also tun?‘ bgcolor=’f3f70c‘ bgcolorto=’7593eb‘]
- Aufgrund der noch nicht abschließend geklärten Risiken gar keine Sonnencreme verwenden: GANZ SCHLECHTE IDEE! Nebenwirkungen: Sonnenbrand, beschleunigte Hautalterung, gesteigertes Hautkrebsrisiko!
- Nur Sonnencreme mit Mikro TiO2 verwenden: Kann man machen. Die Verwendung von Nano-Partikeln muss auf der Verpackung erwähnt werden. Wenn in der Zutatenliste TiO2 ohne „Nano“ auftaucht ist „Mikro“ drin. Nebenwirkung: weißer Schleier auf der Haut. Aber lieber- weiß wie die Wand – als – rot wie ein Krebs!
- Nur Sonnencreme mit chemischen Filtern verwenden: Kann man machen, aber man muss sich im Klaren sein, dass hier der UV-Schutz durch mehr „Chemie“ gewährleistet wird. Nebenwirkungen: Chemischer UV-Schutz alleine ist nicht so effizient wie die Kombination mit TiO2. Etliche chemische UV-Filter bleiben nicht nur an der Oberfläche, sondern dringen bis zur Dermis ein und sie sind weniger stabil. Auch hier sind Aufnahme und Langzeitwirkungen noch nicht abschließend geklärt.
- Trotzdem Sonnencreme mit nanoskaligem TiO2 verwenden: Nach derzeitigem Kenntnisstand ist Nano TiO2 haltige Sonnencreme weiterhin empfehlenswert. Nebenwirkungen: Die Aufnahme über die gesunde Haut scheint eher gering. Die Hauptaufnahme geschieht wohl eher über die Nahrung, siehe E171. Eine photokatalytische Aktivität kann nicht ausgeschlossen werden. Diese spielt sich allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit nur in der Umgebung von bereits abgestorbenen Hautzellen ab.
- Kleidung als UV-Schutz verwenden: Sehr gute Idee! Damit kann man den Einsatz von Sonnencreme reduzieren. Bedenken Sie, normalerweise sind wir nicht vollständig verhüllt. Unbedeckte Hautpartien sollte man durch Sonnencreme schützen.
- Im Schatten bleiben: Sehr gute Idee! Hier kann man den LSF reduzieren und damit die Konzentration an UV-Filtern verringern. Aber bedenken Sie, die UV-Strahlung wird auch in den Schatten gestreut. Deshalb sollte Sie auch hier nicht ganz auf Sonnencreme verzichten.
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Literatur:
[1] W.-I. Worret und W. Gehring, Kosmetische Dermatologie. Springer-Verlag, 2013.
[2] R. Jansen, U. Osterwalder, S. Q. Wang, M. Burnett, und H. W. Lim, „Photoprotection: part II. Sunscreen: development, efficacy, and controversies“, J. Am. Acad. Dermatol., Bd. 69, Nr. 6, S. 867.e1–14; quiz 881–882, Dez. 2013.
[3] Nanotechnologie in Kosmetik. Institut der Technikfolgenabschätzung der österreichischen Akademie der Wissenschaften. [Online]. Verfügbar unter: http://epub.oeaw.ac.at/0xc1aa500e_0x001d4f40.pdf. [Zugegriffen: 25-Juli-2018]
[4] „Risk assessment of Products of Nanotechnologies“, S. 71.
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