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Wie lange ist die notwendige Besonnungszeit für eine Tagesdosis an Vit. D?
Beim Thema Vitamin D ist nach wie vor vieles unklar. Beispielsweise findet man in der wissenschaftlichen Literatur immer noch keine einheitlichen Angaben zu einem „gesunden“ Vit. D Spiegel im Blut. Über die richtigen Normwerte wird nach wie vor lebhaft diskutiert.
Klar ist lediglich:
- Vitamin D ist ein lebenswichtiges Hormon
- Das meiste Vit. D synthetisieren wir selbst in der Haut. Dazu ist die UVB-Strahlung der Sonne unbedingt notwendig.
- Die UVB-Strahlung birgt allerdings auch Gefahren: Sonnenbrand und Hautkrebs drohen.
- Vitamin D findet sich auch in tierischen Nahrungsmitteln. Allerdings nur in geringen Mengen. Deshalb können wir nur ca. 10 % unseres Bedarfs über die Nahrung abdecken.
Die UVB-Strahlung hat also eine gegensätzliche Wirkungen auf uns: Einerseits ist sie unverzichtbar für die Vit. D Synthese, andererseits kann sie lebensbedrohende Schäden verursachen.
Daraus ergibt sich die immer dieselbe Frage:
Welches ist die notwendige und ausreichende UVB Dosis, die wir für die Herstellung von Vit. D benötigen?
Auf diese Frage gab es bis jetzt noch keine klare Antwort. Man war auf Vermutungen angewiesen.
Die Arbeitsgruppe von Prof. G. Seckmeyer [1] hat in ihrem 2013 veröffentlichten Artikel eine aufschlussreiche Kalkulation vorgestellt, über das Verhältnis von UV-Strahlung und Vit. D Synthese. Mit Hilfe von komplexen Rechenmodellen ist es ihnen gelungen, eine möglichst genaue und realistische Beziehung zwischen der UVB Dosis und der generierten Vit. D Menge herzustellen.
(Dosis ist gleichbedeutend mit Menge. Hier fließt die Stärke der UVB-Bestrahlung und die Dauer der Bestrahlung mit ein.)
In das Rechenmodell fließen zahlreiche Parameter mit ein. Eine wichtige Einflussgröße ist die möglichst realistische Berechnung der menschlichen Körperoberfläche. Sowohl hinsichtlich ihrer Ausdehnung, als auch in ihrem Winkel zur UV-Strahlung.
3D-Modell des menschlichen Körpers
Um die Körperoberfläche zu bestimmen, haben sich die Autoren nicht damit zufrieden gegeben, den menschlichen Körper als eine liegenden Fläche oder einen stehenden Zylinder anzunehmen. Aus früheren Simulationen war bereits bekannt, dass unter diesen stark vereinfachten Annahmen der Körperoberfläche, die Berechnung der UV-Exposition einen großen Fehler aufweist. Dies gilt ganz besonders für die Berechnung der indirekten UV-Exposition.
Die indirekte UV Strahlung entsteht durch Reflexion an Oberflächen und ist abhängig von den Wetterphänomenen. Sie macht ca. 80 % der jährlichen UV-Exposition aus. Die direkte UV-Strahlung spielt im Wesentlichen nur im Sommer und zur Mittagszeit eine Rolle und auch nur für die Körperflächen, die senkrecht zur direkten UV-Strahlung stehen.
Deshalb entwickelten die Autoren ein möglichst genaues 3D Modell des menschlichen Körpers. Der Ausgangspunkt für die Modellierung der Körperoberfläche war eine Ganzkörper-Computer-Tomographie eines Mannes mit durchschnittlichem Gewicht und Körpergröße. Die Körperoberfläche wurde in ein Gitternetz bzw. viele kleine Flächen transformiert. Für all diese Flächen wurde die UV-Exposition in Abhängigkeit vom Einstrahlungswinkel kalkuliert.
Kalkulation der Bestrahlung
Zur Messung der UV-Strahlung wurde ein multispektrales Messgeräte entwickelt, das die UV-Wellenlängen einzeln und aus allen Himmelsrichtungen misst. Zusätzlich fließen folgende Parameter ein: die Dauer der Bestrahlung, die Ausrichtung nach Süden (Azimuthwinkel) und der Einfallswinkel der Bestrahlung.
Kalkulation der Vit. D Synthese
Hier fließen ein: Bestrahlungsdauer, Einfallswinkel der Bestrahlung, Wellenlängen der UV-Strahlung, Die Bestrahlung wurde sowohl für die direkte Bestrahlung als auch für indirekte Bestrahlung berechnet.
Um die Integration zu ermöglichen wurden folgende vereinfachende Annahmen getroffen
- Die Oberfläche des menschlichen Körpers wird als Modeloberfläche mit diffuser Reflektion angenommen. Sie erscheint gleichmäßig hell in alle Richtungen und reflektiert alles einfallende Licht.
- Gemäß den Angaben aus der Literatur gehen die Autoren von einer Synthesefähigkeit der Haut von 1000 IU Vit. D pro Minute aus. Dies gilt für Ganzkörperexposition, UVI = 10 und aufrechtstehend.
- Die Haut weist an allen Stellen die gleiche Fähigkeit auf Vit. D herzustellen. In Realität wird allerdings nicht alle Strahlung absorbiert, sondern auch reflektiert und nicht alle Hautbereiche können gleich gut Vit. D erzeugen. Auch ist die Menge an 7-Dehydrocholesterol, dem Ausgangsstoff für Vit. D, nicht bei allen Menschen gleich. Zusätzlich tritt bei starker UV-Strahlung eine Sättigung des Synthesewegs ein.
- Die Kleidung gilt als völlig undurchlässig für Strahlung.
- Die Reflektion des Erdbodens wird vernachlässigt. Für die Simulation liegt weder Schnee noch weißer Sand.
- Es sind keine störenden Aerosole in der Luft.
- Der Himmel ist frei, es gibt keinen Schatten.
- Die Berechnung erfolgt für Hauttyp II. Eine unterschiedliche Hautpigmentierung wurde nicht berücksichtigt.
- In Anlehnung an die Literatur wird eine Vit. D Produktion von 1000 U pro Tag als ausreichende Tagesdosis angenommen.
Die Vit. D Synthese wurde für 5 verschiedene Bestrahlungssituationen kalkuliert
Siehe Tabelle, modifiziert nach Seckmeyer et al, 2013
- Einmal für Rom zur Sommersonnenwende (Fall 1) und vier Mal für Hannover (Fall 2 – 5) zu verschiedenen Jahreszeiten bzw. unterschiedlichen Bewölkungssituationen.
- Das Datum 21. Juni und 21. Dezember repräsentieren den höchsten bzw. den niedrigsten Sonnenstand im Jahresverlauf.
- Bis auf Fall 5 wurde für die Kalkulation ein wolkenloser Himmel angenommen.
- Fall 5 repräsentiert die häufigste Wettersituation im deutschen Winter.
- Rom (im Sommer) wurde ausgesucht, weil hier ein UVI von 10 erreicht wird. UVI 10 entspricht der maximalen UV-Intensität auf der Nordhalbkugel.
- Es wurde gezeigt, dass das Reflexionsvermögen des Bodens vernachlässigt werden kann.
- Die Simulation wurde sowohl für einen unbekleideten Menschen als auch für einen bekleideten Menschen (93 % Hautbedeckung) durchgeführt.
Fall 1 | Fall 2 | Fall 3 | Fall 4 | Fall 5 | |
---|---|---|---|---|---|
Ort | Rom | Hannover | Hannover | Hannover | Hannover |
Datum | 21. Juni | 21. Juni | 21. März | 21. Dezember | 21. Dezember |
Bewölkung | keine | keine | keine | keine | homogen |
UVI | 10 | 8 | 3,3 | 0,4 | 0,04 |
tägliche Vit. D Produktion (IU), aufrechtstehend, Ganzkörperbestrahlung | 440 000 | 398 000 | 134 000 | 5400 | 470 |
benötigte Bestrahlungzeit, Ganzkörperbestrahlung: Aufrechtstehend | 1 min | 1,1 min | 2,3 min | 39 min | 2,1 Tage |
Benötigte Bestrahlungszeit, Ganzkörperbestrahlung: Liegend | 0,7 min | 0,9 min | 2,4 min | 38 min | 1,9 Tage |
Benötigte Bestrahlungszeit, bekleidet: Aufrechtstehend | 17 min | 18 min | 37 min | 3 Tage | 35 Tage |
Benötigte Bestrahlungszeit, bekleidet: Liegend | 10 min | 12 min | 30 min | 2,4 Tage | 25 Tage |
- Im Sommer kann man, sowohl in Rom als auch in Hannover, binnen kurzer Zeit die Tagesdosis an Vit. D synthetisieren. Darüberhinaus verkürzt sich die benötigte Zeit weiter durch die Einnahme einer liegende Position. Dies gilt aber nur bei hohem UVI (Fall 1 und Fall 2). Hier kommt der Effekt der direkten UV-Einstrahlung zum Tragen.
- Bei niedrigem UVI (Fall 3) ist die notwendige Bestrahlungszeit mehr als doppelt so lang und es macht kaum einen Unterschied ob man liegt oder steht. Dies ist dem großen Anteil an indirekter UV-Strahlung geschuldet.
- Im Winter, in Hannover kann man im bekleideten Zustand den täglichen Vit. D Bedarf durch die Sonnenbestrahlung nicht decken. Im unbekleideten Zustand wäre dies an einem sonnigen Tag noch möglich. Aufgrund der ungemütlichen Temperaturen ist dies allerdings keine praktikable Lösung 😉 .
- Bei bewölktem Winterhimmel (Fall 5) bräuchte man für eine Tagesdosis an Vit. D über einen Monat!
- Der sogenannte Vit. D Winter, also die Zeit, wo wir auf der Nordhalbkugel aufgrund der niedrigen UV-Einstrahlung kein Vit. D synthetisieren können wird üblicherweise von Oktober bis März angegeben. Diese Untersuchung (Fall 3) zeigt, dass man doch schon an einem sonnigen Tag im März, auch in Hannover, die Möglichkeit hat, seinen Tagesbedarf an Vit. D durch eine ca. 30 minütige Besonnung zu decken. Man muss sich dazu auch nicht ausziehen.
Ist unsere Frage von oben jetzt damit beantwortet?
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Die vorgestellte Simulation von Prof. Seckmeyer und Kollegen zeigt sehr schön,
- dass im Sommer, auch in Deutschland und im bekleideten Zustand nur sehr kurze Expositionszeiten nötig sind, um den Tagesbedarf an Vit. D zu decken. Dies bestätigt die alte Regel: Für eine ausreichende Vit. D Synthese muss man keinen Sonnenbrand riskieren!
- Dass man im Sommer die notwendige Bestrahlungszeit durch eine liegende Position weiter verkürzen kann.
- Dass man auch in Deutschland im Frühling/Herbst an einem wolkenlosen Tag, angekleidet zu seiner Tagesdosis Vit. D kommt. In der Übergangszeit spielt es keine Rolle, ob man dabei liegt oder spazieren geht. Hier arbeitet hauptsächlich die indirekte Strahlung für uns.
- Dass wir in der Winterzeit in Deutschland nicht ausreichend Vit. D herstellen können. In der dunklen Jahreszeit muss man also über Alternativen (Nahrungsmittelergänzung) nachdenken.
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Werbung: Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel
Natürlich gilt die vorgestellte Arbeit nur unter den oben genannten Bedingungen und Einschränkungen. Für die Forschung bleibt also noch ein großes Betätigungsfeld offen. Was geschieht, wenn man die Umweltbedingungen wie z. B. Schatten, reflektierende Oberflächen oder die Höhenlage ändert?
Auch mit den Variablen des menschlichen Körpers kann man weiter spielen: unterschiedliche Hauttypen, Einbeziehung der Synthesekapazität der Haut, Altersabhängigkeit…..
Wir dürfen also weiterhin auf neue Forschungsergebnisse gespannt sein.
Literatur:
[1] G. Seckmeyer u. a., „A novel method to calculate solar UV exposure relevant to vitamin D production in humans“, Photochem. Photobiol., Bd. 89, Nr. 4, S. 974–983, Aug. 2013.
Danke für den hilfreichem Artikel 🙂
Hallo Anni, es freut mich, wenn ich durch meine Artikel etwas Hilfreiches zur Orientierung beitragen kann 🙂
Ein sehr interessanter Artikel! Ich war mir zwar bewusst darüber, dass die Bestrahlungszeit in Deutschland im Winter nicht ausreicht und nehme im Winter daher ergänzend Vitamin D von https://www.vitaminexpress.org/de/vitamin-d ein, aber wie viel Zeit genau man wo braucht, finde ich doch auch noch eine sehr interessante Zusatzinformation. Das motiviert gleich noch viel mehr, sich auch für nur 5 min in die Sonne zu legen, wenn es die Zeit zulässt. 🙂
Grüße
Kerstin
Hallo Kerstin, es freut mich, dass ich mit dieser Information weiterhelfen konnte! Ich finde es auch sehr beruhigend und motivierend zu wissen, dass der Vitamin D Winter auch in Deutschland nicht so lange dauert wie befürchtet.
Hallo Kerstin, ein sehr interessanter Artikel. Leider habe ich dem Artikel nicht entnehmen können, welchem Wert „IU“ dem von den Internalen Einheiten also „IE“ entspricht. Es wird ja immer vor einer Überdosierung gewarnt, gerade bei der Sublimentierung, z.B. von Über 4.000 IE pro Tag. Leider finde ich keine Angaben darüber wie sich der Vitamin Spiegel tatsächlich im Jahresverlauf der gesamt Bevölkerung in Mitteleuropa verändert. Es finden sich nicht einmal Angaben darüber, mit welchen Vitaminspiegeln Urlauber Heimkehren. Es wäre hier ein leichtes einmal den Spiegel vor und nach dem Urlaub zu messen, um der Frage auf die Schliche zu kommen, wo beginnt eine gefährliche Überdosierung. Ich z. B. sonne mich regelmäßig und habe im Hochsommer meinen Vitamin D3 Spiegel messen lassen (mitte Juli). Ich hatte einen Wert von 164,4 ng/ml – was einer starken Überschreitung jeglicher Normwerte entspricht. Im Vergleich dazu liegt mein derzeitiger Wert ( Ende März ) bei 46 4 ng/ml (wobei ich täglich 2.000 IE D3 einnehme) . Meines Erachtens wird die Warnung der Überdosisierung in der Presse zu Unrecht Überdramatisiert (die Pharmaindustriere würde mit der Sublimentierung von D3 große Gewinnmargen einfahren). Man sollte endlich genau untersuchen, wie sich der D3 Spiegel tatsächlich im Jahresverlauf verändert, um daraus die richtigen Dosierungen der notwendigen Sublimierung für uns Mitteleuropäischen zu ermitteln.